Freundeskreis intern (Mai 2019)

Bildungsfahrt nach Görlitz am 26. Mai 2019

Unserer Exkursion führte uns in diesem Jahr nach Görlitz – die östlichste Stadt Deutschlands. Die Stadt hat in den Jahren nach 1990 einen Wandel zum Guten durchgemacht und wird heute von so manchem Zeitgenossen als schönste Stadt Deutschlands bezeichnet. Allerdings haben wir die sehenswerten Renaissancegebäude, Straßen und Plätze links liegen gelassen bzw. auf unserem Wege vom und zum Bahnhof lediglich gestreift.

Das erste Ziel, welches wir ansteuerten, war die am Steinweg (Via regia) gelegene Nikolaikirche mit dem Nikolaikirchhof. Sie ist die älteste Kirche der Neißestadt (um 1100) und war bis zur Reformation die Hauptkirche von Görlitz. 1452 wurde die Holzkirche in einen Massivbau umgewandelt. Nach einem Brand im Jahr 1717 wurde die Kirche 1722 in ihrer heutigen Form errichtet. Von da ab diente sie vorranging als Beerdigungskirche und wurde in den 1920er Jahren in eine Gedächtniskirche für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges umgewandelt (Architekt Martin Elsäßer, Frankfurt/Main). Nach 1945 wurde der Kirchenraum als Lagerhalle genutzt und ab den 1970er Jahren schrittweise saniert. Sie wird heute von der Evangelischen Kulturstiftung Görlitz als Gedächtnis- und Ausstellungskirche genutzt.

Der Nikolaikirchhof wurde 1305 erstmals urkundlich erwähnt und ist der älteste Görlitzer Begräbnisort. Er ist heut durch einen breiten Weg, der zum neuen Friedhof empor führt, scheinbar geteilt. Der Ostteil ist der ältere und das teilweise wellige Gelände zeichnet die alten Grabhügel nach. In der Südwestecke, schmucklos und ohne Grabdenkmäler, ist der Platz, wo in Seuchenzeiten bestattet wurde. Auf diesem Pestfriedhof wurden beispielsweise bei der Epidemie im Jahr 1496 3000 Tote beigesetzt. Das entsprach einem Drittel der Görlitzer Bevölkerung! Heute finden sich, besonders im neueren Westteil des Friedhofs etwa 600 Grabdenkmale aus der Zeit des Barock und des Klassizismus sowie sehenswerte, reich ausgeschmückte Grufthäuser. Die Grabsteine aus der Gotik und der Renaissancezeit fehlen – sie wurden als Baumaterial nach Stadtbränden verwendet.

Auf dem Nikolaikirchof besuchten wir unter anderem das Grab von Jakob Böhme (1575–1624), dem bedeutendsten Sohn der Stadt Görlitz. Der war von Hause aus Schuster und interpretierte die Welt auf mystische Art. Ihn bezeichnete Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) als „ersten deutschen Philosophen“.

Weiter ging es zum „Heiligen Grab“. Der Görlitzer Bürgermeister Georg Emmerich (1422-1507) pilgerte 1465 nach Jerusalem und stiftete nach seiner Rückkehr gemeinsam mit Agnes Finger (gestorben um 1514) die Anlage, die die Heiligtümer der hochmittelalterlichen Jerusalemer Heilig-Grab-Kapelle, die so heute nicht mehr existiert, kopiert. Die Bauzeit umfasste die Jahre 1480 bis 1504.

Das Gebäudeensemble besteht aus der Doppelkapelle zum Heiligen Kreuz mit der Adamskapelle im unteren und der Golgathakapelle im oberen Teil, dem Salbhaus und der Heilig-Grab-Kapelle.

Die spätgotische Doppelkapelle ist ein rechteckiges Bauwerk mit spitzem Dachreiter, und im Bereich der Golgathakapelle mit Maßwerkfenstern und Rippengewölbe versehen. Die Standorte der drei Kreuze sind durch runde Vertiefungen im Fußboden markiert. Eine Rinne im Fußboden soll das Blut Christi über einen Spalt im Mauerwerk zum Grabe Adams leiten. In der Adamskapelle ist der Riss, der gleichzeitig das Erdbeben zur Sterbestunde Christi und den zerrissenen Vorhang im Tempel symbolisiert, deutlich zu erkennen. Das sich in unmittelbarer Nähe befindliche Salbhaus beinhaltet die Skulptur „Die Beweinung Jesu“ von Hans Olmützer (vor 1473 – nach 1503). Etwa abseits befindet sich die Heilig-Grab-Kapelle, von der man sagt, dass sie die weltweit authentischste Kopie des Jerusalemer Heiligtums darstellt. Interessanterweise sind viele „Hinterlassenschaften“ der Pilger über die Jahrhunderte hinweg in Form von Einritzungen und mit Rötel geschriebenen Schriftzügen bis heute gut zu erkennen.

Die gesamte Anlage wurde Ende der 1990er Jahre aufwändig restauriert. Frau Dana Krause, die an diesen Arbeiten maßgeblich beteiligt war, führte durch die Gebäudeanlage und erklärte uns anschaulich, wie schwierig sich die Restaurierungen teilweise gestaltet haben.

Die wohlverdiente Mittagspause verbrachten wir gemeinsam im renommierten Restaurant „Destille“ und labten uns an Köstlichkeiten, wie dem „Schlesischen Himmelreich“ und „Mohnkließla“.

Frisch gestärkt trafen wir uns anschließend mit der Leiterin des Städtischen Friedhofs, Frau Evelin Mühle. Vor der eigentlichen Friedhofsführung besichtigten wir die Feierhalle des 1913 eingeweihten Krematoriums – es war nach Einführung des preußischen Feuerbestattungsgesetzes im Jahr 1911 das erste seiner Art in der damaligen Provinz Schlesien. Der Reformbau besitzt noch viel vom ursprünglichen Inventar und ist auch deshalb kunstgeschichtlich hoch interessant. Das Krematorium erhielt im Jahr 2003 einen Anbau mit modernen Kühlzellen und äußerst geschmackvoll gestalteten Abschiedsräumen.

Der Städtische Friedhof wurde nach Schließung des Nikolaikirchhofs im Jahr 1847 eröffnet und umfasst heute eine Fläche von etwa 30 ha. Er unterteilt sich in den Alten und den Neuen Friedhof, sowie den Urnenhain. Unser Friedhofsspaziergang verlief sehr kurzweilig, angereichert mit Geschichte und Anekdoten, Heiterem und Ernstem und vielen Entdeckungen! Beeindruckend waren die Grabstätten Mattke, Stein und Alexander-Katz, die alle von Paul Polte (1877–1952) geschaffen wurden und eine Deutung als Auferstehungszyklus zulassen. Wir besuchten das Grab von Johanna Dreyer (1896–1969), die sich in der Zeit des Nationalsozialismus besonders der jüdischen Kinder angenommen hat. Auch erfuhren wir, wie sich ein Vorgänger im Amt von Frau Mühle vor 1989 gegen staatliche Abrissaufträge für bürgerliche Erbbegräbnisse auf diesem Friedhof schlau und erfolgreich zur Wehr setzte. Wir besuchten die letzte Ruhestätte von Minna Herzlieb (1789–1865), einer Freundin Goethes und erfreuten uns an der gepflegten und gärtnerisch wunderbar gestalteten Friedhofsanlage.

Alle 16 Teilnehmer unserer diesjährigen Exkursion sind hochzufrieden nach Hause gefahren und der Satz „Hier müssen wir noch einmal her!“ war mehrfach zu hören.

Und ein besonderes Dankeschön an die uns führenden Damen, Frau Krause und Frau Mühle, soll an dieser Stelle ausdrücklich geäußert werden!

(Fotos M. Kaden, J. Lange, H. Richter, T. Thiel)